Tod und so

Einige Leute aus meinem Freundeskreis und ein paar Leser wollen von mir wissen, wie ich es angesichts meiner Erkrankung mit dem Tod und der Religion halte. Dazu muss ich zuallererst sagen: Wer krank ist, der denkt in erster Linie ans Gesundwerden, an die Therapie, an Nebenwirkungen der Therapie, an Schmerzen und an Schmerzfreiheit. Und man muss damit fertig werden, dass man sich verdammt einsam fühlt, denn wenn man monatelang im Krankenhaus behandelt wird, führt das fast zwangsläufig zu einem Kommunikationskurzschluss mit den Menschen, die das nicht am eigenen Leib erfahren. Man kann das in etwa mit einem LSD-Trip oder einer religiösen Vision vergleichen: Wer das nicht selbst erlebt hat, der kann es nicht verstehen, und es ist verdammt schwer, solche psychischen Extremsituationen zu verbalisieren und nachvollziehbar zu erklären.

Aber zurück zum Thema, dem Tod und der Religion. Natürlich denke ich hin und wieder daran, was der Tod wohl sein mag, wie er sich anfühlt, ob er das Ende ist oder nicht. Das Problem dabei: Niemand kann das beantworten, man kann nur Vermutungen anstellen. Und man kann glauben.  Die Weltreligionen verbreiten verschiedene Vorstellungen vom Jenseits, die ich aber nicht wirklich ernst nehmen kann. Der christliche Himmel ist ein etwas ungenau beschriebenes „Nahe bei Gott Sein“, worunter ich mir nun rein gar nichts vorstellen kann, außer vielleicht ewigliches Halleluja-Singen, und das ist keine attraktive Perspektive. Da ist das islamische Paradies schon handfester, obwohl dort die Langeweile auch schon vorprogrammiert ist, denn selbst im schönsten Puff möchte man(n) nicht die Ewigkeit verbringen müssen, und eine einzige Frau, die ich liebe, ziehe ich irgendwelchen 72 Jungfrauen allemal vor. Die hinduistische Wiedergeburtslehre hat ihre Reize, aber auch ihre Schattenseiten, denn wer möchte schon die Augen schließen, bloß um dann zB als Schlachtkalb oder Typhuserreger wiederzukehren? Und die Buddhisten, nun, die sind meiner Meinung nach ein wenig zu negativ eingestellt. Dass alles Leben Leid sei, und daher das Aufgehen im Nirvana, sprich die Nichtexistenz der Persönlichkeit als erstrebenswertes Ziel gilt, halte ich für übertrieben schwarzmalerisch, denn soooo schlimm ist das Leben auch wieder nicht.

Ja, ich weiß, ich eiere um die Frage herum, aber wie sollte ich sie denn  beantworten können, wo ich doch noch nie tot war? Eines habe ich aber bereits erlebt, und zwar eine Situation, in der ich dachte, ich würde in wenigen Minuten sterben. Das war meine erste Panikattacke, bei der ich überzeugt war, ich würde jetzt den berühmten Löffel abgeben, und als ich da lag mit einem Puls von 220 (kein Scherz), da tauchten plötzlich die religiösen Jenseitsvorstellungen auf, die einem als Kind von der und in der Kirche eingetrichtert wurden. Der bärtige alte Herr, das Jüngste Gericht, Hoffnung auf „Einlass in das Paradies“ – solche Sachen eben. Ich fand das im Nachhinein sehr interessant und auch ein wenig peinlich. Jedenfalls war damals, im Augenblick meines vermeintlich kurz bevorstehenden T0des, doch die starke Hoffnung da, es möge irgendwie weitergehen. Ob dort tatsächlich etwas ist, dort, jenseits des Endes der Körperfunktionen, ist die älteste und bis heute unbeantwortbare Frage der Menschheit. Ich fände es natürlich auch schön, wenn das Sterben des Körpers bloß ein Übergang wäre zu einer anderen Form der Existenz und dabei mein Denken und meine Persönlichkeit erhalten blieben, allein: Ich bin mir ziemlich sicher, dass es das nicht spielt. Wir wissen ja mittlerweile, dass Krankheiten, Unfälle oder Drogen das menschliche Gehirn dermaßen angreifen können, dass von der ursprünglichen Persönlichkeit und von der Fähigkeit zu denken und zu fühlen nichts mehr übrig bleibt. Wenn man sich also, um ein Beispiel zu nennen, blöd saufen kann, dann wird das Verfaulen des Gehirns wohl noch viel gravierendere Auswirkungen haben. Ich weiß, das ist furchtbar materialistisch argumentiert, doch die Existenz einer Seele, die unabhängig von der Körperlichkeit ewig weiterlebt, dürfte eine Wunschvorstellung sein, genau so, wie die Götter wohl von den Menschen erschaffen wurden statt umgekehrt. Darauf deutet sehr vieles hin, vor allem die allzu menschlich wirkenden Launen und Verhaltensmuster in der Götterwelt. Ich bleibe da aber im Konjunktiv, denn beweisen lässt sich hier gar nix. Ich bin Agnostiker und räume auch die Möglichkeit ein, dass irgendeine der vielen hundert Religionen dieser Welt recht haben könnte. Auch dass es eine ganz andere Form der Weiterexistenz nach dem Tode gibt, als sie von den Religionen und Esoterikern erhofft wird, schließe ich nicht aus. Ich halte das nur für sehr unwahrscheinlich. Wobei: Energie geht ja nicht verloren, und selbst als Fraß für die Würmer wird der Mensch nur transformiert, nicht völlig aufgelöst. Nur ob es für das Bewusstsein etwas anders gibt als Dunkelheit bzw das Nicht-Sein, bezweifle ich. Nicht-Sein, die Nichtexistenz! Das klingt furchteinflößend, weil wir Menschen uns darunter nichts vorstellen können. Ich denke aber, dass dies kein Zustand ist, vor dem man sich unbedingt fürchten müsste, denn wenn nach dem Tod das Nichts wartet, dann gehören auch alle Ängste und Schmerzen und Sorgen der Vergangenheit an. Kurz gesagt: ich denke, sterben ist wesentlich schlimmer als tot zu sein. Wer tot ist, dürfte wirklich von aller Last befreit sein. Klar, man kann dann nicht mehr kegeln gehen, aber grundsätzlich denke ich, dass es übleres gibt als das Ableben.

Ich möchte auch hier, was ich gerne mache, Stimmen aus der Populärmusik zu Wort kommen lassen. Die Incredible String Band hat zum Thema nämlich was passendes gesungen:

I am the question that cannot be answered,
I am the lover that cannot be lost,
Yet small are the gifts of my servant the soldier,
For time is my offspring, pray, what is my name?

My name is Death, cannot you see?
All life must turn to me;
Oh cannot you see?
And you must come with me,

„I’ll give you gold and jewels rare,
And all my wealth in store.
All pleasures fair,
if I may live but a few short years more.“
Oh lady, lay your jewels aside,
No more to glory in your pride.
Tarrying here there is no way,
Your time has come that you must away,
And you must come to clay.

Und Randy Newman:  „You know it´s a lie, it will always be a lie / the invention of an animal who knows he´s going to die“

5 Antworten zu “Tod und so

  1. Ein bisschen Panikattacken und Buddhismus kommen auch hier vor…enjoy!

    😀

  2. Seh ich genauso. Ich bin Agnostikerin aus Überzeugung, denn ich weiß, dass ich nichts weiß. Obwohl ich ein sehr wissenschaftsbegeisterter Mensch bin denke ich nicht, dass wir diese letzten Fragen je lösen können. Irgendein Quantenphysiker hat auf die Frage, ob die menschliche Intelligenz das Universum vom ganz Großen bis ins ganz Kleine je verstehen wird mal gesagt: „Meine Katze ist auch intelligent, aber ich werde ihr nie die Relativitätstheorie erklären können.“

    Its not for us to know.

  3. Ich war mit derartigen Fragen und Gedanken (und Ängsten) natürlich auch konfrontiert – mehrfach! Man muss sich auseinandersetzen oder distanzieren, also verdrängen. Jedem das seine.

    Ich habe schon eine gute Vorstellung vom Sterben, war drei Mal im letzten Jahr knapp dabei. Organversagen fühlt sich nicht gut an. Tumoranämie aberl lässt einen einfach einschlafen. Fühlt sich gut an…

    Verstehen kann man es nie. Intelligent oder nicht. Aber Fragen stellen darf und sollte man. Auch, wenn man keine Antworten hat oder erhält.

  4. Gute Genesung wünsche ich, sofern das geht.

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